Foto: SPD Münster

Gemeindevertretung 06.02.2023 – Redebeitrag Renate Waldschmitt

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Bürgermeister Schledt,
auf das artenschutzrechtliche Gutachten schaue ich mit meinem fachlichen Blick. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal vorstellen:

Ich bin Diplom-Ingenieurin für Landespflege und habe drei Jahrzehnte bei der Unteren Naturschutzbehörde im benachbarten Kreis Offenbach gearbeitet. Ich war dort mit der Umsetzung der Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes betraut. Zu meinen Aufgaben gehörte es, Bauleitpläne von Kommunen auf ihre Auswirkungen auf Natur und Landschaft zu prüfen und entsprechende Stellungnahmen als Träger öffentlicher Belange zu erstellen. Ich habe also Erfahrung mit dem Spannungsfeld zwischen Bauleitplanung und Naturschutz. Ich biete der Gemeindevertretung, ihren Gremien und der Verwaltung meine Expertise an und berate gerne zu diesem Vorhaben.

Nun zu dem artenschutzrechtlichen Gutachten für die Grundstücke am Werlacher Weg:
Die Untersuchungen des Gutachters Diplom-Biologe Dr. Fritz ergaben, dass hier geschützte Tierarten vorkommen. Besonders erwähnenswert sind die Fledermausarten. Von den 25 in Deutschland heimischen Fledermausarten wurden am Werlacher Weg 11 Arten gefunden! Das ist eine erhebliche Artenvielfalt!

Das Bundesnaturschutzgesetz legt fest, dass das Töten von geschützten Tierarten verboten ist. Weiterhin ist es verboten, ihre Nahrungshabitate, ihre Wohn- und Schlafstätten sowie ihre Reproduktionsstätten zu zerstören. Wenn nun der vorhandene Gehölzbestand gerodet wird, um dort eine Bebauung zu ermöglichen, treten diese Verbotstatbestände ein. Das Bundesnaturschutzgesetz fordert im Falle solcher widerstreitenden Interessen, dass eine Tötung der Tiere und eine Beseitigung der Habitate vermieden werden!

Hintergrund ist, dass Tier- und Pflanzenarten nur dann einen Schutzstaus erhalten, wenn sie so selten oder in so geringer Anzahl vorkommen, dass sie ohne Schutzmaßnahmen für immer verloren gingen. Das Wäldchen ist außerdem ein so genannter Trittstein, wenn wir an ein System von Lebensräumen in der Landschaft denken. Wanderungsbewegungen von Tieren finden von Trittstein zu Trittstein und in West-Ost-Richtung entlang der Gersprenz statt. Der Gehölzbestand stellt einen Teil dieses Systems dar. Wenn wir also das Verfahren für einen Bebauungsplan betreiben, kommen wir als Kommune irgendwann an den Punkt, wo wir abwägen müssen, welche Belange bedeutender sind:

Das zur Verfügung stellen von Bauland oder der Erhalt des wertvollen Biotops.

Ich denke nicht, dass die Ausweisung von einigen wenigen Bauplätzen höher zu bewerten ist als die Erhaltung eines wertvollen Lebensraumes für geschützte Tierarten.

Vielmehr wäre die Entscheidung für die Ausweisung von Bauland hier eine fehlerhafte Abwägung, die beklagt werden kann.

Mit dem artenschutzrechtlichen Gutachten liegen uns die grundlegenden Fakten vor, die wir für die Beurteilung der anstehenden Fragestellung benötigen.

—————————-

Neben der Bedeutung als wertvoller Biotop hat der Gehölzbestand am Werlacher Weg noch weitere wichtige Funktionen:

Er produziert kühle und saubere Luft und er speichert Regenwasser.

Was sowohl bei Hitze und als auch bei großen Regenmengen relevant ist.

Bei Starkregen wirkt das Wäldchen wie eine Rückhaltefläche, indem es den Regen zunächst aufnimmt und speichert und dann nach und nach wieder abgibt.

Bei Stürmen wird deren Kraft gebremst. Durch den höhengestaffelten Aufbau am Rand wird der Wind über die Siedlung geleitet.

Die Luft wird von Schadstoffen wie Stickstoff- und Schwefeloxiden gereinigt. Geruchs- und Feinstoffpartikel werden zurückgehalten. Der Gehölzbestand dient auch dem Immissionsschutz.

Wir haben hier eine dichte Vegetation, die mit Sträuchern und hohen Bäumen mehrschichtig ist. Sie speichert intensiv CO².

Man kann nun die Meinung vertreten, in Münster herrschen angenehme Temperaturen verglichen mit der Temperatur in hoch verdichteten Städten. Schließlich liegt die Siedlung inmitten von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern.

Das trifft schon zu. Dennoch machen z.B. zwei Grad Celsius im Falle von Hitzeperioden einen Unterschied für das Befinden und die Gesundheit.

Wir wollen eine attraktive Wohngemeinde sein. Dann sollten wir auch entsprechend handeln und unser Augenmerk auch auf Kühlungspotential lenken!

In Zeiten zunehmender Hitzesommer können wir es uns nicht erlauben, Kühlung und Schatten spendende Vegetationsbestände zu beseitigen.

Schauen wir noch auf den übergeordneten Zusammenhang, in dem unsere Gemeinde steht:

Das Land Hessen hat am Donnerstag, dem 26. Januar 2023, ein Klimagesetz verabschiedet, wohlwissend, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen müssen.

Darin sind zunächst einmal die Ziele bezüglich notwendiger CO²-Reduktionen festgelegt.

In § 7 Absatz 10 verpflichtet sich die Landesregierung, dass landeseigene Grundstücke, wie Wald- und Moorflächen, landwirtschaftliche Flächen und Gewässer so aufgewertet werden, dass sie ihre Möglichkeiten zur Bindung von Kohlenstoff sowie die Funktionen für die biologische Vielfalt steigern.

In § 8 Absatz 1 heißt es „Die Gemeinden und Landkreise tragen als Teil der Daseinsvorsorge eine besondere Verantwortung zur Erreichung der Klimaschutzziele und die Anpassung an die nicht zu vermeidenden Folgen des Klimawandels. Sie nehmen diese Aufgaben in eigener Verantwortung und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit wahr.“

In der Erläuterung zum § 8 heißt es: „Den Klima-Kommunen kommt beim Klimaschutz eine besondere Bedeutung zu, um die hessischen Klimaschutzziele zu erreichen. …Nur wenn alle Verwaltungsebenen gemeinsam und als Querschnittsaufgabe am Klimaschutz arbeiten, können die Ziele erreicht werden. Daher werden wir als Land die Kommunen besonders unterstützen, aber für die Förderung Mindeststandards einführen.“

Das bedeutet für unsere jetzige Fragestellung: Das Land Hessen erwartet von seinen Kommunen, dass klimatisch wirksame Flächen erhalten und, wo nicht vorhanden, geschaffen werden.

Ich schätze es so ein: Das Wäldchen am Werlacher Weg erfüllt derzeit bereits die genannten Funktionen und kann mit einer Größe von ca. 4.400 m² einen solchen Beitrag leisten. Die klimatische Wirkung ist hier nicht nur auf die unmittelbare Umgebung beschränkt, sondern wirkt sich auf die Temperatur und Luftfeuchtigkeit der erweiterten Umgebung aus. Allein schon durch seine Größe und seine Lage im Gersprenztal. Denn der Luftmassenausgleich erfolgt entlang des Tales der Gersprenz und von da aus in die bebauten Areale der Siedlung.

————————————————-

Während Gemeinden und Städte um uns herum (Großzimmern, Darmstadt, Frankfurt) Tiny Forests einrichten, haben wir bereits einen!

Er erfüllt alle angestrebten Aufgaben und schenkt uns seine Wohlfahrtswirkungen!

Die Zeit ist reif dafür, dass wir uns bewusstwerden, wie wertvoll solche Flächen sind.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns das Verfahren an dieser Stelle anhalten!

Denn jede weitere Untersuchung ändert nichts an der Grundsatzentscheidung, die wir treffen müssen.

Lassen Sie uns zeitgemäß handeln und unser Wäldchen erhalten!

Diplom-Ingenieurin Renate Waldschmitt