Gemeindevertretersitzung 29.11.2021 – Christian Steinmetz (SPD): Eklatanteste Schwäche des Haushalts 2022 liegt in fehlender Zukunftsperspektive !
Lieber Herr Vorsitzender,
lieber Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen der Gemeindevertretung,
werte Zuschauerinnen und Zuschauer,
ich habe heute die Ehre, als Neuling innerhalb des Prozesses der Haushaltserstellung die Haushaltsrede für die SPD-Fraktion zu halten. Und ich kann Ihnen sagen, dass der resultierende Plan mit weit über 200 Seiten und die daraus abgeleiteten Diskussionen immer wieder für Überraschungen gesorgt haben.
Eines noch vorweg:
Ich persönlich halte nicht viel von exakten Jahresplanungen und -budgets. Diese rauben
a) Im Entstehungsprozess sehr viel Zeit
b) Und schränken den Aktionsspielraum für das angehende Jahr ein
Da die HGO dies aber vorschreibt, gibt es auch keinen anderen Weg.
Pläne sind wichtig, die Detailtiefe allerdings eher weniger. Wer hätte so vor 2 Jahren für 2020 und 2021 Corona und die Auswirkungen einplanen können?
Kommen wir nun aber zu den Überraschungen:
Eine der ersten Überraschungen stellte sicherlich der sportliche Zeitplan unseres Bürgermeister Joachim Schledt zur Einbringung des Haushaltes 2022 dar. So durfte ich in zwei Schulungen seitens des Hessischen Verwaltungsschulverbandes durch den Referent Uwe Daneke lernen, dass so gut wie nie eine Satzung vor Beginn des Haushaltsjahres zustande kommt.
Zwar schreibt die HGO entsprechende Fristen vor – so soll z.B. die Vorlage einen Monat vor Beginn des Haushaltsjahres erfolgen – in den allermeisten Fällen agieren die Kommunen jedoch ab dem 01. Januar mit einer vorläufigen Haushaltsführung.
Nun ist sicherlich gegen eine zeitnahe Erstellung des Haushaltsplanes nichts einzuwenden. Allerdings hatte diese Eile einige unerwartete Nebenwirkungen.
So kam es, dass im ersten Haushaltsentwurf Münster noch einen positiven Ergebnishaushalt verzeichnen konnte. Das Jahresergebnis des Ergebnishaushaltes war mit 100 T € geplant.
In der damaligen Vorstellung des Haushaltes überraschte uns noch das Fehlen jeglicher Förderungszuschüsse wie z.B. die Hessenkasse. Zudem waren zahlreiche Investitionen noch nicht mit den passenden Beträgen berücksichtigt und teilweise fehlten diese gänzlich. Anscheinend war der angedachte Zeitplan nicht einzuhalten und einige Absprachen zwischen Finanzabteilung und den anderen Abteilungen konnten noch nicht vollständig durchgeführt werden. Dazu kam, dass weiterführende Zahlen und Berechnungen noch nicht vorlagen.
Was dann geschah, wird für unseren Bürgermeister sicherlich eine der unerfreulichsten Überraschungen seiner bisherigen Amtszeit gewesen sein. Denn durch einen Rechenfehler in den Zuweisungen mussten diese um 1,5 Mio. € reduziert werden. Konsequenz: statt positivem Jahresergebnis -1,4 Mio. € und damit wieder ein Haushaltssicherungskonzept.
Wie so oft im Leben gleicht sich immer alles aus:
Die unerwarteten Gewerbesteuereinnahmen Ende 2020, die zu einem sehr positiven Jahresergebnis in 2020 geführt haben und Münster in die Lage versetzten, ohne Neuaufnahme von
Krediten zu agieren zu können, sorgten nur kurze Zeit später für reduzierte Zuweisungen und panikartige Aktionen im Rathaus.
So kam die bisher erzählte Helden-Geschichte des erfolgreichen Sanierens von Bürgermeister und CDU sichtlich ins Wanken.
Möglicherweise wäre das alte asiatisches Sprichwort „Wenn du es eilig hast, mache einen Umweg.“ hilfreich gewesen und hätte den nachfolgenden Korrekturlauf verhindern können.
Trotzdem sei lobend das Verhalten von Bürgermeister Joachim Schledt erwähnt, der mit Ehrlichkeit und Transparenz alle Beteiligten über den Missstand informierte und weder auf Verschleierung noch Schönreden setzte.
Über die Art und Weise, wie versucht wurde, die klaffende Lücke zu schließen, muss an dieser Stelle aber auch gesprochen werden. Denn diese sorgte wiederum für Überraschungen:
- So wurden die Mittel der Hessenkasse eilig für laufende Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen eingesetzt. Alle Sanierungen etc. wurden geprüft und in eine Liste aufgenommen. Und siehe da, auf einmal hatte der Haushalt auch Förderzuschüsse eingeplant. Und der von Seiten der CDU immer wieder erwähnte zu hohe Aufwand für die Beantragung von Fördermitteln war vergessen.Dass in diesem Prozess dann null Spielraum für eine Diskussion seitens der Gemeindevertretung blieb, bleibt der fade Beigeschmack. Vor allem durch die abrupte Beendigung der Diskussion über die vorgeschlagenen Maßnahmen seitens des Fraktionsvorsitzende der CDU mit der Begründung, die Verwaltung wird schon alles richtig gemacht haben.
So steuern Hessenkasse und lebendigen Zentren nun ca. 430 T € zur Rettung des Ergebnishaushaltes bei. Die gemeindeeigenen Wohnanlagen erhalten aus diesem Fördertopf genau 0 €. Und auch ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen suchen wir in der Liste vergebens. Schade, denn mit der Hessenkasse hat man die große Chance verpuffen lassen, in den unbedingt notwendigen sozialen (bezahlbaren) Wohnraum und in den Klimaschutz zu investieren. Sind das möglicherweise schon die Vorboten für den in Erwägung gezogenen Verkauf der gemeindeeigenen Sozialwohnungen an einen Investor? - Nächster Joker: Der Verkauf des Grundstücks bei der FSV an das Autohaus Beck wird ins Jahr 2022 vorgezogen, so dass ca. 350 T € über außerordentliche Erträge ebenfalls entlastend wirken. Das bedeutet aber auch gleichzeitig eine Reduktion der Erträge für den Haushalt 2023 um den gleichen Betrag.
- Und zum Schluss dreht man an den Gewerbesteuereinnahmen und erhöht diese um 500 T €. Laut Bürgermeister hatte man hier einen Puffer eingeplant, den man nun ausnutzt. Herr Schledt ist sich sicher, dass die Mehreinnahmen kommen werden.
Und trotz all dieser Maßnahmen gelingt es nicht, einen ausgeglichen Ergebnishaushalt für das Jahr 2022 zu erreichen. Vielmehr braucht Münster erneut ein Haushaltssicherungskonzept.
Geplant ist nun ein negatives Jahresergebnis von knapp -500 T €.
Überraschend bleibt festzuhalten: Auch die selbst ernannten Haushaltssanierer seitens CDU und Bürgermeister ereilen negative Ergebnishaushalte und müssen in die Haushaltssicherung.
Ein absoluter Rückschritt innerhalb der Sanierungs-Geschichte. Und es stellt sich die Frage, ob die positiven Entwicklungen der Jahre 2020 und 2021 nur glücklichen Umständen zu verdanken waren.
Die aus unserer Sicht eklatanteste Schwäche dieses Haushaltsplanes liegt allerdings in der fehlenden Zukunftsperspektive.
Wirft man einen Blick in die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung, erhält man ein mulmiges Gefühl.
Folgt man der mittelfristigen Planung bis 2025
- sinken die liquiden Mittel von 4,4 Mio. € Ende 2020 auf 0,5 Mio. € Ende 2025.
- Zudem steigt die Verschuldung von 13,2 Mio. € auf über 20,5 Mio. €
In Summe steht dann ein Mittelverlust von über 11 Mio. €.
Wo ist hier eine Sanierung zu erkennen?
Wo sind zudem die vollmundigen Versprechen aus dem CDU-Wahlkampfprogramm und den Ankündigungen unseres Bürgermeisters?
- Senkung der Grundsteuer
- Schnellstmögliche Rettung und Sanierung des Hallenbades
- Steigerung der Attraktivität des Breitefelds
- Entwicklung Frankenbachgelände
- Abschaffung der Straßenbeitragssatzung
Nur das Hallenbad findet sich in der Investitionsplanung. Dies jedoch mit einem Betrag, der bei weitem nicht ausreichen wird. Vielmehr beschleicht uns das Gefühl, dass das Hallenbad das Zünglein an der Waage ist, um die Geschichte der Haushaltssanierung aufrecht erhalten zu können.
Beim Thema Breitefeld erinnere ich mich an den Ausspruch von Bürgermeister Joachim Schledt: „Man muss nur mit den Leuten vernünftig reden.“ Anscheinend hat das nicht gefruchtet, denn um das Thema Breitefeld ruht still der See. So dürfte wohl auch unser Bürgermeister den legendären Ruf seines Nachnamensvetters ereilt haben und die Erkenntnis, mit dem Eppertshäuser ist nicht so einfach zu verhandeln.
Und umso überraschender ist, dass beim Frankenbachgelände gefühlt ebenfalls nichts passiert ist. Wir wissen alle, dass ein Gewerbegebiet Frankenbach kein Nullsummenspiel wird und das nach Abschluss des Projektes über die HLG mit entsprechenden Kosten zu rechnen ist, die zukünftige Haushalte belasten werden.
Machen wir uns auch nichts vor. Die aktuelle finanzielle Ausgestaltung der Gemeinde Münster lässt solche faden Versprechungen wie Senkung der Grundsteuer und Abschaffung der Straßenbeitragssatzung überhaupt nicht zu. Schauen sie sich die Straßensituation in Münster an. Frau Thom von der Bauverwaltung hatte hierzu die notwendigen Straßenerneuerungen mit knapp 28 Mio. € in ihrem 10 Jahresplan beziffert. Eine Summe die die Gemeinde Münster niemals ohne diese Satzung stemmen kann.
So fällt mir zu den Versprechen aus dem Wahlkampf und dem nun vorgestellten Haushalt nur das Zitat aus Goethes Faust ein:
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doktor gar Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf, herab und quer und krumm Meine Wähler an der Nase herum.
Goethe spricht in diesem Fall zwar von Schülern. Aber als Münsterer Bürger und somit Wähler kommt man sich auf Basis der damaligen Versprechen schon wie ein Schüler vor.
Für die Bürger Münsters wünsche ich mir, dass endlich angefangen wird, an den wichtigen Dingen zu arbeiten. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten viel zu häufig über Kleinigkeiten diskutiert.
Es muss die Frage gestellt werden, wie Münster es schaffen kann, den Ergebnishaushalt so zu gestalten, dass wir uns die benötigten Investitionen auch leisten können. Dass wir in die Lage kommen, die benötigten Sanierungen durchzuführen und die überfälligen Investitionen in Gebäude, Klimaschutz und Zukunftssicherung vorantreiben zu können.
Die harten Fakten zeigen:
Mehr als 2,3 Mio. € jährlich kann Münster auf Basis des aktuellen Haushaltsplans nicht aus eigener Kraft und ohne Neuverschuldung investieren.
Warum?
Das Jahresergebnis ist für die Folgejahre 2023 bis 2025 mit maximal 175 T € angesetzt und die Abschreibungen, die für Investitionen verwendet werden können, belaufen sich auf ca. 2,15 Mio. €. Nur durch diese können wir organisch finanzieren.
Hier vermisse ich Vision und Strategie von Bürgermeister und CDU.
Quo vadis Münster?
Ich sehe nur Versprechen und keinen Plan, wie diese auch in die Tat umgesetzt werden können. Vielmehr beinhaltet der vorgelegte Haushaltsplan mittelfristig nur die Reise ins Tal der Schulden.
Da hilft es auch nichts, dass man sich zuerst auf die Sanierung und das Verwalten konzentriert. Jedes Unternehmen, das nur verwaltend agiert, erhält am Ende den Verwalter, den es verdient nämlich den Insolvenzverwalter.
Wie sagte Albert Einstein so schön: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“.
Ändern wir unsere Denkweise!
Wir können mehr und wir sind es den Wählern und unseren Mitbürgern auch schuldig mehr zu wollen. Dazu bedarf es einer Vision für Münster, die für die Bürger erstrebenswert erscheint.
- Wo wollen wir in Münster in 10-20 Jahren stehen?
- Was wollen wir erreicht haben?
- Wie soll Münster dann aussehen?
- Wie wollen wir in Münster gemeinsam leben?
- Welche Investitionen nehmen wir in Angriff?
- Welche Dinge werden wir nicht mehr machen?
- Warum lohnt es sich, in Münster zu leben?
Der aktuelle Haushaltsplan 2022 beinhaltet aktuell weder eine Vision noch ist eine Strategie erkennbar.
Wo ist hier die Perspektive?
Doch bitte nicht 20,5 Mio. € Schuldenstand Ende 2025.
Und das ist der Grund, warum wir als SPD-Fraktion dem Haushalt aufgrund der Perspektivlosigkeit nicht zustimmen können und werden.
Wir sind aber sofort bereit, gemeinsam mit allen Fraktionen das Warum und die Vision zu diskutieren und zu formen.
Zum Beispiel können niedrige Zinsen und Förderprogrammen genutzt werden, um den Ergebnishaushalt in den nächsten Jahren durch entsprechende Investitionen signifikant zu verbessern.
Doch dazu braucht es einen Nordstern – eine gemeinsame Vision, wohin die Reise gehen soll.
Denken Sie immer an diesen Aussatz aus der Motivationslehre:
Wer das Warum kennt, kann fast jedes Wie ertragen.
Lassen Sie uns also das „Warum“ und die Vision gemeinsam definieren. Und zwar ohne Blick in die Vergangenheit, sondern mit Blick in eine erstrebenswerte Zukunft.
Und darauf aufbauend dann die zukünftigen Haushaltspläne entwickeln. Und zwar unter dem Motto „sowohl als auch“ und nicht mit „entweder oder“.
Einem solchen Haushalt ist dann die Zustimmung der SPD-Fraktion sicher.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Christian Steinmetz