„Der Junge hat gute Anlagen“ – Die SPD Münster erinnert an Willy Brandt

Die SPD Münster erinnert aus Anlass seines 111. Geburtstages am 18. Dezember an das frühe politische Leben von Willy Brandt

Von Wolfgang Weber, Vorstandsmitglied der SPD Münster

 

Als Willy Brandt im Jahre 1930 Mitglied der SPD wurde, war er noch Schüler des Johanneum zu Lübeck und trug noch seinen Geburtsnamen Herbert Frahm. Sein beginnendes politisches Engagement blieb offenbar nicht ohne Einfluss auf seine schulischen Leistungen, weswegen einer seiner Lehrer gegenüber seiner Mutter anmerkte: „Halten Sie Ihren Sohn von der Politik fern. Der Junge hat gute Anlagen. Aber die Politik wird ihn ruinieren.“ Vermutlich hat den jungen Herbert die Meinung der Lehrkräfte nicht sonderlich interessiert und ebenso darf angenommen werden, dass seine Mutter, würde sie dies aufgegriffen haben, ihn ebenso nicht hätte aufhalten können.

Denn Herbert Frahm war ein Getriebener seiner Überzeugungen. Bereits 1931 trat er aus der SPD wieder aus, tief enttäuscht von der „Mutlosigkeit“ seiner Partei, sich nicht deutlicher und offensiver gegen die Politik der damaligen Reichsregierung unter Kanzler Heinrich Brüning zu stellen. Frahm schloss sich der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) an mit dem Ziel, entschlossen gegen die seit Beginn der Weltwirtschaftskrise verstärkt aufkommende antidemokratische Rechte, darunter auch die Partei von Adolf Hitler (NSDAP), zu kämpfen.

Im Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Doch der Zeitgeist war ein anderer. Kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933 wurde die SAPD verboten und ihre Mitglieder wurden verfolgt. Herbert Frahm entschied sich dennoch, weiterhin Widerstand zu leisten, nun aus dem Untergrund heraus. Und er änderte seinen Namen: aus Herbert Ernst Karl Frahm wurde Willy Brandt. Ein „Kampfname“, wie er es selbst bezeichnete.

Im Zuge des gescheiterten Versuches, die heimliche Ausreise eines Leitungsmitglieds der SAPD nach Oslo zu organisieren, verschlug es Brandt selbst nach Norwegen und er blieb von dort aus politisch für seine Organisation aktiv. 1936 kehrte er unter dem Decknamen Gunnar Gaasland in das damalige Deutsche Reich zurück, um Verbindung zu SAPD-Genossen im Untergrund aufzunehmen und den Widerstand vor Ort und im Ausland abzustimmen.

Parallel zu seinen politischen Aktivitäten arbeitete Brandt als Journalist für norwegische Zeitungen. Im Zuge dessen ging er 1937 als Berichterstatter nach Spanien, um über den Bürgerkrieg zu berichten. Zugleich unterstützte er auch den Kampf der Sozialisten gegen die drohende Militärdiktatur unter General Franco. Nur knapp entging er in Barcelona einer Verhaftungswelle, wobei diese nicht durch General Franco, sondern durch die von der Sowjetunion unter Stalin beeinflusste Kommunistische Partei Spaniens initiiert worden war.

Ausbürgerung durch die Nazis

Am 05. September 1938 wurde Willy Brandt durch das Deutsche Reich ausgebürgert und von den deutschen Behörden weiterhin gesucht. Während der Besetzung Norwegens durch die deutsche Wehrmacht geriet er, da er zur Tarnung eine norwegische Militäruniform trug, in Gefangenschaft; bleib dort aber unerkannt und kam bald wieder frei. Brandt floh nach Schweden und setzte dort sein vielfältiges Engagement gegen das nationalsozialistische Regime bis zu dessen Zusammenbruch fort. In Schweden wurde ihm durch die norwegische Botschaft in Stockholm die norwegische Staatsbürgerschaft verliehen.

Nach Kriegsende kehrte Willy Brandt als Korrespondent für skandinavische Zeitungen nach Deutschland zurück und berichtete insbesondere über die sog. Nürnberger Prozesse. Zugleich knüpften er und die SPD wieder Kontakte. 1946 noch lehnte er das Ansinnen der SPD ab, für die Partei Bürgermeister von Lübeck zu werden – und entschied sich stattdessen als Presseattaché für das norwegische Militär nach Berlin zu gehen – dennoch blieb er seiner Geburtsstadt verbunden und unterstützte die SPD in kommunalen Wahlkämpfen.

1948 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft zurück und durfte seinen „Kampfnamen“ Willy Brandt behalten. Er nutzte ihn fortan dauerhaft, jedoch nicht mehr in dessen ursprünglicher Widmung. „Ein Allerweltsname“ sagte er 1961 und das Geheimnis, weswegen er sich gerade diesen Namen aussuchte, nahm er mit ins Grab.

Prägende sozialdemokratische Persönlichkeiten

Über Willy Brandts politische Karriere in der Bundesrepublik ab 1948 und die Persönlichkeiten der Sozialdemokratie, die ihn dabei begleiteten – Kurt Schumacher und Herbert Wehner, um nur zwei Beispiele zu nennen – sind sehr viele Bücher und Aufsätze geschrieben worden, so dass die Erinnerung an ihn für heute an dieser Stelle auch enden möge. Der kurze Abriss des „frühen“ Willy Brandt erklärt jedoch ohne Weiteres dessen späteres politisches Wirken und seine Überzeugungen. Willy Brandt war ein Kind der dunkelsten Epochen europäischer Geschichte, jedoch blieb er davon unbeeindruckt, begehrte auf und wurde zu einem der größten Demokraten der Deutschen. Niemand muss so sein oder werden wie er, zum Teil in seinen jungen Jahren auch ein Abenteurer mit Hang zum Leichtsinn, aber wir sollten uns daran erinnern, dass es sich lohnt, für Demokratie und Freiheit einzustehen und danach zu handeln, vielleicht auch mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl. Wer meint, mal „was ganz anderes“ zu wählen, schadet sich und uns allen.